An dem Tag, als seine Welt zu bröckeln begann, war die Sonne von Wolken ungetrübt am tiefblauen Himmel unterwegs und über allem lag ein Hauch von Frieden.
Er hatte die Post herein geholt und nahm sie mit auf seine traumschöne Terrasse mit Blick auf das Meer. Er setzte sich in seinen Relax-Liegestuhl vom feinsten Outdoor-Möbelhersteller, griff zu seinem sündhaft teuren Whisky und schaute die Umschläge grob durch, während er sich einen Drink in sein Glas goss.
Abgelenkt durch die Flugkünste eines Schwalbenpaares schaute er einige Zeit empor und lächelte vor sich hin. ´Wo Schwalben nisten wohnt das Glück´ hatte seine Großmutter immer gesagt.
Die Werbung landete gleich auf einem leeren Stuhl neben ihm, übrig blieben drei Umschläge. Der erste kam von seiner Hausbank und enthielt die neuesten Kontoauszüge, die er nur flüchtig überflog. Der zweite hatte Zeit, es war eine berufliche Angelegenheit und er war nicht im Büro – also beiseite auch mit dieser Post.
Den dritten schaute er erstaunt an, denn er konnte den Absender nicht gleich erkennen. Dann sah er die kleine Zeile im Adressfenster oberhalb seiner Anschrift und hielt inne. Dieser Umschlag kam aus dem Universitätsklinikum, in dem er vor zehn Tagen zum großen Check-up war.
Er ging schon seit vielen Jahren einmal im Jahr dorthin – ´währet den Anfängen´, auch so ein Spruch seiner Großmutter, den er verinnerlicht hatte. Nie hatte er je Post danach erhalten. Er legte den Brief auf den Terrassentisch und trank sehr langsam einen Schluck von seinem Whisky, während er sich bemühte, seinen sich steigernden Herzschlag durch tiefe Atemzüge zu beruhigen.
Er stellte das Glas auf den Tisch und nahm ihn in die Hand, diesen ersten seiner Art. „So also fühlt es sich an“, dachte er, „wenn das Schicksal anklopfen kommt…“. Er öffnete den Umschlag ebenso langsam, wie er ihn schon gewendet und gedreht hatte. Dann nahm er das Schreiben der Klinik heraus, es waren mehrere Seiten, und las den Inhalt, ohne ihn recht fassen zu können. Drehten sich diese Zeilen um ihn? Er schüttelte ungläubig leise mit dem Kopf, nahm einen neuerlichen Schluck aus seinem Glas und las nochmals von vorn.
Die Sonne, die geradezu unverschämt strahlte und den Himmel erhellte, erlosch für seine Augen. Ein Vorhang schob sich in seinen Blick, der alles andere ausblendete, was ihn eben noch zum Lächeln gebracht hatte. Er starrte auf das Meer, das in ein paar hundert Metern Entfernung unverändert sanft auf den Ufersaum traf. Der erste Umschlag dieser Art lag auf seinem linken Schenkel, die Hand als wolle sie ihn unsichtbar machen darüber. In seinen Ohren rauschte es leise und es fühlte sich für ihn an, als könne er seinen eigenen Gedanken lauschen.
In diesem Augenblick spürte er, wie sein bisheriges Leben zu zerbröckeln begann in tausend kleinste Teile. Nichts wird mehr sein wie vor diesem Umschlag – alle Rituale seines Tages, die er so liebte – dass er sie liebte, wurde ihm siedend heiß in diesem einen Augenblick erst bewusst! – waren Vergangenheit geworden beim Lesen dieses Schreibens. Schwarze Zeichen auf weißem Grund hatten Kraft genug, um wie mit einem Vorschlaghammer die Vorzeichen seines Lebens umzudrehen.
Eine Kälte, die aus ihm heraus kroch, verursachte ein feines Erschauern an seinem ganzen Körper, als er aufstand, um ans Telefon zu gehen…
© Petra Jähnke, 2014
Alles schwingt…
Petra
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Tief berührt vom Text und dann noch dieser Song, dieses Video…!
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Liebe Petra, ja, ein ganz wunderbarer Song …
Liebe Grüße
inerlime
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Musik und Text tragen den Zuhörer in jeder Seelenlage, so meine Erinnerung. Ich liebe diesen Song und er hat mich schon durch die unterschiedlichsten Situationen begleitet…
„Be“
Lost
On a painted sky
Where the clouds are hung
For the poet’s eye
You may find him
If you may find him
There
On a distant shore
By the wings of dreams
Through an open door
You may know him
If you may
Be
As a page that aches for a word
Which speaks on a theme that is timeless
And the one God will make for your day
Sing
As a song in search of a voice that is silent
And the sun
God will make for your way
And we dance
To a whispered voice
Overheard by the soul,
Undertook by the heart
And you may know it
If you may know it
While the sand would become the stone
Which begat the spark
Turned to living bone
Holy, holy
Sanctus, sanctus
Be
As a page that aches for a word
Which speaks on a theme that is timeless
While the one God will make for your day
Sing
As a song in search of a voice that is silent
And the one God will make for your way
Herzlichst, Petra
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Oh. Oh. Oh. Betroffenheit. Mein erster Gedanke, als ich den Beitrag sah (ohne zu lesen) – „Be“ – wie lange hatte ich das nicht gehört. Ich habe so wudnerbare Erinnerungen daran. In meiner Jugend erzählte uns unser Religionslehrer von der Möwe Jonathan. In jeder Schulstunde ein wenig mehr. Und jedesmal im letzten Teil der Schulstunde legten wir uns alle auf Matten auf den Boden, schlossen die Augen und er spielte ein Stück von der Musik aus „Jonathan“. Ich habe diese Stunden so sehr geliebt. So kam meine große Freude, als ich das Video eben sah. Dann las ich Deine Geschichte … und alles war so anders …
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